The return of the lector

Obwohl meine Aus­lands­di­en­stzeit mit­tler­weile vor­bei ist, habe ich meine Oster­fe­rien 2019 ein vor­erst let­ztes Mal in bzw. mit Prü­fun­gen für das Deutsche Sprachdiplom 1 ver­bracht. Das liegt daran, dass ich bei meinem Dien­stantritt in Bel­grad nicht nur Kurse mit Prüflin­gen für die Diplome DSD 1 und DSD 2 über­nom­men habe, son­dern am IX. Bel­grad­er Gym­na­si­um »Mihai­lo Petro­vić Alas« auch so genan­nte DSD-Klassen: Deutschkurse, die von Beginn ihrer gym­nasialen Schulzeit an – also etwa der 9. Klasse des bun­desre­pub­likanis­chen Sys­tems – auf eine Prü­fung in Deutsch vor­bere­it­et wur­den. Allerd­ings ganz im Stil der zweit­en Fremd­sprache in Ser­bi­en: mit lediglich zwei Wochen­stun­den.

Diese bei­den Lern­grup­pen habe ich durch ihre kom­plette 2. und 3. Klasse des Gym­na­si­ums begleit­et, sodass allen klar war: Wenn es die Organ­i­sa­tion erlaubt, würde ich zu den Abschlussprü­fun­gen wieder da sein. Und tat­säch­lich: Zumin­d­est die mündlichen Prü­fun­gen ließen sich in die nieder­säch­sis­chen Oster­fe­rien leg­en.

Bere­its vorher find­et – an einem zen­tralen Ter­min für alle Prüflinge der nördlichen Erd­hal­bkugel – die schriftliche Prü­fung statt. Zumeist geht es mit ein­er Lesev­er­ste­hen­sprü­fung los; wer schon ein­mal ver­sucht hat, schwedis­che oder nieder­ländis­che Texte zu entz­if­fern, weiß, dass das die sim­pel­ste Ver­ständ­nisübung ist, mithin ein niedrigschwelliger Start in den Prü­fungstag. Danach kommt, nach ein­er kurzen Pause, eine Prü­fung in Hörver­ste­hen. Zum Abschluss des DSD1-Vor­mit­tages müssen die Schü­lerin­nen und Schüler selb­st einen Text ver­fassen.

Dazu wer­den ihnen zu einem schü­lerg­erecht­en The­ma – Fre­und­schaften, Hausauf­gaben, Pünk­tlichkeit, Taschen­geld… – vier Kom­mentare präsen­tiert. Diese müssen sie in eige­nen Worten wiedergeben. Danach sollen sie sich aus ihrer Erfahrung zu diesem The­ma äußern. Und abgeschlossen wird die Schriftliche Kom­mu­nika­tion (SK) mit ein­er begrün­de­ten Mei­n­ung à la »Ist Pünk­tlichkeit über­be­w­ertet, ja oder nein?«. – Dieser Auf­bau muss mit aus­ländis­chen Prüflin­gen eingeübt wer­den, während deutsche Lehrkräfte zumin­d­est erken­nen, dass die hiesi­gen Anforderungs­bere­iche trainiert wer­den: AfB I, II und III mit Wieder­gabe, Rekom­bi­na­tion und Urteil.

Die mündlichen Prü­fun­gen find­en an einem anderen Ter­min statt – schon deswe­gen, weil ja jede Schü­lerin und jed­er Schüler indi­vidu­ell sprechen muss. Die mündliche Prü­fung beste­ht aus drei Teilen, die sich zu etwa 15 Minuten sum­mieren: Im ersten Drit­tel geht es im Wesentlichen um Small-Talk. »Ich heiße…« und »Ich habe zwei Schwest­ern und einen Hund…« und »Wir leben auf dem Dorf…«, aus­gestal­tet als Dia­log zwis­chen Prüferin bzw. Prüfer und Prüfling. Danach fol­gt eine knapp fünfminütige Präsen­ta­tion zu einem per­sön­lichen The­ma: »Mop­si, mein Hausti­er«, »Unser Fam­i­lienurlaub im Dri­na-Tal«, »So feiert meine Fam­i­lie Sla­va« oder »Ich spiele die Gusle«. – Per­sön­lich müssen die The­men sein, weil der Wortschatz oft nicht für Inhalte all­ge­mein­er oder gesellschaftlich rel­e­van­ter Debat­ten aus­re­icht; immer­hin befind­en wir uns auf dem Niveau A2/B1 des gemein­samen europäis­chen Ref­eren­zrah­mens für Fremd­sprachen. Ich habe dementsprechend schon alle Details von Ein­fam­i­lien­häusern mit Gärten in der Region Čačak über die dutzend­ste Volk­stanz­gruppe bis hin zu allen möglichen und unmöglichen Sportvere­in­sak­tiv­itäten über mich erge­hen lassen. Trotz­dem ist es immer wieder span­nend, weil man mehr und tief­ere Ein­blicke in das All­t­agsleben seines Gast­landes erhält.

Auch dies­mal waren von Jugen­der­leb­nisse im Wasser­bal­lvere­in Sub­ot­i­ca – vor dem Umzug nach Bel­grad – über diverse Klassen- und Jahrgangs­fahrten, zumeist gen Ital­ien, Aus­land­saufen­thalte in Han­nover oder Heil­bronn bis zum Som­mer­haus in der Ser­bis­chen Kra­ji­na alle Klas­sik­er dabei.

Die Bew­er­tung ist eben­falls nicht unspan­nend. Punk­te gibt es beispiel­sweise für ungewöhn­lichen Wortschatz: »Einzelkind«, »Gute­nacht­geschichte« oder »Beton­mis­chmas­chine« sind typ­is­che Hin­weise, dass hier jemand mehr gel­ernt hat, als die Lek­tio­nen im Buch hergeben; eben­so pos­i­tiv sind kor­rekt gebrauchte Prä­po­si­tio­nen: »denken an«, »nach­denken über« oder »mit­denken bei« – wer das drauf hat, kriegt den Dau­men hoch! Qua Gram­matik sind Neben­sätze toll, ins­beson­dere solche mit »obwohl« oder die Kom­bi­na­tion aus Rel­a­tivsatz und Prä­po­si­tion, also z.B. »die Frau, mit der ich Deutsch lerne…«. Auch Par­tizip­i­en aller Art sind gern gese­hen – seien es nun »vergessene Hausauf­gaben« oder »laufend frisch belegte Brote«. Ähn­lich­es gilt für Kon­junk­tive, aber auch für Dative und Gen­i­tive, unregelmäßige Prä­ter­i­tums­for­men und so weit­er, und so fort. Ziel ist immer, am Ende min­destens 12 der max­i­mal 24 hol­baren Punk­te einzutüten – weil das der Beweis für Sprach­fähigkeit­en auf dem höheren Niveau, also B1, sind.

Und was soll ich sagen? Alle »meine« Schü­lerin­nen und Schüler haben genau das am Ende zweier langer Prü­fung­sein­sätze mit meinen großar­ti­gen Kol­le­gen geschafft. Zwanzig mündliche Prü­fun­gen, zwanzig­mal B1. Da bleibt nur noch zu sagen: Česti­tam!